
Primäre Immundefekte (PID)
Erfahren Sie mehr über Früherkennung, Frühdiagnose und Frühtherapie von primären Immundefekten
Angeborene oder primäre Immundefekte (PID: englisch Primary Immunodeficiencies oder Inborn Errors of Immunity) zählen zu den seltenen Krankheiten (Häufigkeit unter 1:2000). Andere deutsche Bezeichnungen für Immundefekt sind pathologische Infektanfälligkeit, Abwehrschwäche, Immunschwäche, Immuninsuffizienz oder Immundefizienz.
Sucht man nach diesen Begriffen im Internet, stößt man schnell auf käufliche Angebote, die angeblich das „Immunsystem stärken“. Es fehlt leider meist der Hinweis, dass zunächst einmal durch einen Arzt eine abklärende Diagnostik durchgeführt werden sollte, um nach einem echten Immundefekt zu suchen. Ohne eine zielorientierte Diagnostik können aber betroffene Patienten nicht erkannt und nicht behandelt werden. Vor diesem Hintergrund muss von einer Selbstmedikation, die das „Immunsystem stärken“ soll, dringlich abgeraten werden. Das Hauptinteresse der Inserenten ist wohl ein kommerzielles.
Was sind Primäre Immundefekte?
Definition und Warnzeichen
Primäre Immundefekte (PID) sind angeborene Störungen des Immunsystems. Sie zählen zu den seltenen Krankheiten, d.h. die Häufigkeit liegt unter 1:2000.
Von PID betroffene Patienten werden leider oft zu spät erkannt. Sie haben das zentrale Problem, dass Infektionen ungewöhnlich verlaufen:
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ungewöhnlich häufig
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ungewöhnlich schwer
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gelegentlich invasiv
gelegentlich mit ungewöhnlichen und opportunistischen Erregern
Mit 12 Warnzeichen wird versucht, die spezifischen Probleme von PID-Patienten orientierend zu beschreiben. Sie wurden von Prof. Wahn im Jahre 2000 auf der Basis der 10 Warnzeichen der Jeffrey-Modell-Foundation (http://jmfworld.com/) entwickelt und veröffentlicht.
Warnzeichen für einen Immundefekt
Im Jahre 2000 wurden von Prof. Wahn die 10 Warnzeichen der Jeffrey-Modell Foundation um 2 erweitert (Publikation). Sie sollen helfen die Patienten zu erkennen, bei denen nach einem PID gesucht werden sollte. Die ESID (European Society for immunodeficiencies) hat Warnzeichen für Erwachsene veröffentlicht.
12 Warnzeichen bei Kindern
6 Warnzeichen bei Erwachsenen (ESID)
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positive Familienanamnese für angeborene Immundefekte
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8 oder mehr eitrige Otitiden pro Jahr, Mastoiditis
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2 oder mehr Sinusitiden pro Jahr
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2 oder mehr Pneumonien innerhalb eines Jahres
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indizierte antibiotische Therapie über 2 oder mehr Monate ohne Effekt
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Impfkomplikationen bei Lebendimpfungen (insbes. BCG, Rotavirus und Polio nach Sabin)
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rezidivierende oder systemische Infektionen mit atypischen Mykobakterien
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rezidivierende tiefe Haut- oder Organabszesse
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2 oder mehr viszerale Infektionen (Meningitis, Osteomyelitis, septische Arthritis, Empyem, Sepsis)
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persistierende Candida-Infektionen an Haut oder Schleimhaut jenseits des 1. Lebensjahres
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unklare Erytheme/Erythrodermie bei Neugeborenen und jungen Säuglingen (z.B. chronische Graft vs Host Reaktion, Omenn-Phänotyp u.a.)
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Gedeihstörung im Säuglingsalter, mit und ohne chronische Durchfälle
Neben Infektionen können Patienten mit PID aber auch andere Probleme haben, die neben der pathologischen Infektanfälligkeit das Bild eines PID prägen können:
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Autoinflammation, also spontane teils fieberhafte Entzündungszustände an Darm, Gelenken und anderen Organen, besonders bei Säuglingen und Kleinkindern
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Autoimmunität, systemisch oder Organ-bezogen
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Granulombildung, z.B. in der Lunge
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Spontane Lymphoproliferationen, z.T. getriggert durch EBV
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Malignome, z.B. am Darm oder am lymphatischen System
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Hämophagozytose (Makrophagenaktivierung), besonders bei Säuglingen und Kleinkindern
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4 oder mehr Infektionen innerhalb eines Jahres, die mit Antibiotika behandelt werden mussten
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rezidivierende Infektionen oder eine Infektion mit dem Bedarf einer verlängerten Antibiotikatherapie
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2 oder mehr schwere bakterielle Infektionen
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2 oder mehr radiologisch nachgewiesene Lungenentzündungen innerhalb von drei Jahren
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Infektion mit ungewöhnlicher Lokalisation oder mit ungewöhnlichem Erreger
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Primärer Immundefekt in der Familie
In Deutschland leben vermutlich viele tausend Betroffene ohne Diagnose. Dabei sind die frühzeitige Diagnose und die Einleitung der geeigneten Therapie für die Patienten (über)lebensnotwendig. Zu einer Verbesserung von Frühdiagnose und Frühtherapie möchte diese Webseite beitragen.
Frühzeitig Diagnostik
Nach Erkrankungen mit schwerer T-Lymphopenie einschließlich SCID wird in Deutschland seit 2019 mittels Trockenblutscreening bei allen Neugeborenen gesucht. Im späteren Alter können die Kinder- oder Hausärzte eine orientierende Diagnostik durchführen. Ergeben sich Hinweise auf einen Immundefekt, kann eine weiterführende Diagnostik incl. Genetik oft nur in Zusammenarbeit mit einem Immundefektzentrum erfolgen. Die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie (API) stellt Kontaktadressen zur Verfügung.
Orientierende Diagnostik:
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Blutbild und Differenzialblutbild
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IgG, IgA, IgM, IgE
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IgG-Subklassen bei Patienten ab 4 Jahre
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Antikörper gegen Tetanus und Pneumokokken

Um Immundefekte zu verstehen, bedarf es einiger Grundkenntnisse über die Funktionsweise unseres Immunsystems. Daher werden bei immundefekt.de die Abläufe in kleinen animierten Videos dargestellt. Diese Videos werden kontinuierlich ergänzt, ältere Videos werden bei Vorliegen neuerer Informationen überarbeitet und ersetzt. Alle Videos können jederzeit über Smartphone bei www.immundefekt.de oder bei YouTube (Suchbegriff: immundefekt.de) angesehen werden.
Videos zu "Primären Immundefekten"
An dieser Stelle werden Videos gezeigt, in denen allgemeine und spezifische Aspekte zu PID behandelt werden. Infos zu spezifischen neueren PID sind als Text in einer Serie der „Pädiatrischen Allergologie“ nachzulesen.
Primäre Immundefekte (PID): Allgemeine Aspekte
Bevor immunologische Untersuchungen durchgeführt werden, wird jeder Patient allgemeinärztlich untersucht. Bereits dabei können Befunde auffallen, die für die weitere Diagnostik Bedeutung haben.
Die Diagnostik umfasst mehrere Stufen. Das Neugeborenenscreening wird bei allen Neugeborenen durchgeführt. Bei Verdachtsfällen wird eine orientierende Diagnostik vorgenommen, bei dringendem Verdacht ein Zentrum eingeschaltet. Nach PID-Diagnose haben wir eine Reihe von Therapieoptionen.
Das Video liefert Beispiele für pathologische Infektionen durch Bakterien, Mykobakterien, Pilze, Viren und Parasiten. Werden solche Infektionen beobachtet, sollte eine Immundefektdiagnostik durchgeführt werden.
Auch diverse weitere Befunde können recht spezifische Hinweise auf PID liefern, etwa an Haut, Schleimhäuten und inneren Organen. Einige werden im Video illustriert.
Während primäre Immundefekte (PID) meist durch Gendefekte ausgelöst werden, werden sekundäre Immundefekte (SID) erworben. Am Beispiel der kindlichen HIV-Infektion habe ich Beobachtungen vorwiegend aus den 80er und 90er Jahren zusammengestellt.
Spezifische Aspekte einzelner PID
Teil 29: PAP und GM-CSF
Teil 33: TIRAP
Bei einem Patienten mit homozygotem Defekt bei TIRAP kam es zu lebensbedrohlichen Infektionen durch Staph. aureus. Das Video gibt eine Erklärung.
Teil 34: HAE
In diesem Video geht es um die Pathogenese des Hereditären Angioödems (HAE) und Möglichkeiten der Therapie.
Teil 35: Defekte der IRF 3, 4 und 9
Teil 36: Defekte bei TLR7, MDA5 und RIG-I
Teil 37: Neue Hyper-IgE Syndrome – Defekte des IL-6 Rezeptors, der CBM-Komplexe und bei DOCK8
Teil 38: Defekt des Komplementrezeptors CD55 und CHAPLE Syndrom
Teil 39: Neue Variante der septischen Granulomatosen – Defekt bei EROS
Teil 41: Neue monogene Ursache für schwere kongenitale Neutropenie: Defekt bei CSF3
Teil 40: Einsatz von Dupilumab bei PID
Teil 42: Defekte bei Ikaros, Helios und Aiolos
Letzte Änderung: 03. Januar 2025